"Die Wachstumsraten von Online-Werbung alleine reichen nicht aus", meint Christoph Keese und hofft, die Portale mit Paid Content monetarisieren zu können.

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Axel Springer ist Deutschlands größter Zeitungs- und drittgrößter Zeitschriftenverlag. Das Unternehmen ist laut eigenen Angaben mit rund 170 Zeitungen und Zeitschriften, über 60 Online-Angeboten sowie Beteiligungen an TV- und Radiosendern in insgesamt 35 Ländern aktiv.

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"Die ersten Anzeichen sind ermutigend", ist Christoph Keese, Konzerngeschäftsführer Public Affairs der Axel Springer AG, otpimistisch, dass sein Verlag mit Paid Content-Modellen Erfolg haben wird: "Es muss in der digitalen Welt eine zweite Säule der Monetarisierung neben den Online-Werbeerlösen geben."

derStandard.at: Springer-Chef Döpfner hat von "Web-Kommunismus" gesprochen und damit die Gratiskultur im Internet kritisiert. Glauben Sie, dass sich diese Entwicklung noch stoppen lässt?

Keese: Ich kenne leider niemanden, der das weiß und beantworten kann. Wir versuchen jedoch seit einiger Zeit herauszufinden, wie wir mit attraktiven Angeboten zu angemessenen Preisen ein zahlendes Publikum finden können - die ersten Anzeichen sind ermutigend. Natürlich sind wir uns bewusst, dass dieses Experiment auch scheitern kann. Wir sehen es allerdings als Verpflichtung an, diesen Versuch ernsthaft zu unternehmen. Für Journalisten und Verlage, letztlich sogar für die Demokratie, wäre es gefährlich, wenn Qualitätsjournalismus auf Dauer unter mangelhafter Finanzierung leiden würde.

derStandard.at: Der Springer Verlag ist mit dieser Initiative vorgeprescht. Sollten nicht besser alle an einem Strang ziehen, um die Akzeptanz zu verbreitern?

Keese: Wenn das Modell erfolgreich ist, wird es Schule machen. Wir hören, dass zahlreiche Verlage im Moment darüber nachdenken, diesen Pfad zu beschreiten. Es freut uns natürlich, wenn sich andere zu ähnlichen Schritten entschließen. Eine gemeinschaftliche Bewegung halte ich allerdings für wenig realistisch und auch nicht sinnvoll. Marktwirtschaftlich besser ist es, wenn einzelne Unternehmen - so wie Axel Springer - mit innovativen Ansätzen und Konzepten vorangehen und bei Erfolg Nachahmer finden.

derStandard.at: Wie kann so eine Mischung aussehen, dass Leser auf der einen Seite mit Gratisinhalten versorgt werden und auf der anderen Seite für Exklusivinhalte zahlen sollen?

Keese: Beim mobilen Internet zeigt unser Experiment, dass beide Ansätze erfolgreich nebeneinander bestehen können. Unsere neuen kostenpflichtigen Apps von "Bild" und "Welt" bieten Nutzern Mehrwert bei Darstellung, Nutzerführung und inhaltlicher Aufbereitung. Diese Angebote sind zu angemessenen Preisen einfach und unkompliziert erhältlich. Gleichzeitig haben Leser weiterhin die Möglichkeit, über unsere WAP-Portale kostenfrei auf "Bild" und "Welt" zu kommen, jedoch mit deutlich weniger Bedienkomfort. Interessant und erfreulich ist, dass in den ersten vier Wochen mehr als 100.000 Leute die beiden Apps gekauft und herunter geladen haben, während gleichzeitig die Portalreichweiten der kostenfreien Angebote gestiegen sind.

derStandard.at: Was sind die Vorteile, wenn man über die App surft?

Keese: Die Apps nutzen alle multimedialen Möglichkeiten des iPhone optimal aus. Darstellung, Nutzerführung und Aufbereitung sind einzigartig. Hinzu kommen exklusive Inhalte beispielsweise die "Bild"- oder "Welt Kompakt"-Ausgabe des nächsten Tages ab 22 Uhr vollständig als PDF.

derStandard.at: Was steckt hinter dem "Freemium-Modell", das beim normalen Internet zum Einsatz kommt?

Keese: Wir haben im stationären Internet bei unseren beiden Regionalportalen "abendblatt.de" und "morgenpost.de" Ende vergangenen Jahres kostenpflichtige Premiumangebote geschaffen, die Abonnenten des Dienstes vorbehalten sind. Neben dem umfassenden Archiv sind das vor allem Beiträge aus der Stadt und der Region. Allgemeine Informationen wie etwa Agenturnachrichten gibt es weiter umsonst.

derStandard.at: Wie wird das in Kombination mit der Printausgabe angenommen?

Keese: Sehr gut. Alle Abonnenten der Zeitung haben Zugang zum Premiumangebot der jeweiligen Websites. Es kommen mehr und mehr Leser hinzu, die allein den Online-Dienst abonnieren, weil sie sich für Hamburg oder Berlin interessieren. 

derStandard.at: Das Portal "Berliner Morgenpost" hatte im Dezember - seit Einführung des Paid Content-Modells - um 21 Prozent weniger Besucher. Ist dieser Verlust einkalkuliert?

Keese: Der Dezember war aufgrund der Weihnachtstage bei allen IVW-gelisteten Online-Angeboten ein sehr unterdurchschnittlich erfolgreicher Monat. Das ist ein normales Phänomen, das es jedes Jahr zu beobachten gibt. Dies in Zusammenhang mit der Einfühung unserer Premiumangebote auf "abendblatt.de" und "morgenpost.de" zu rücken, die seit Mitte Dezember online sind, ist wenig seriös. Ob und welche Auswirkungen die neuen Angebote mit sich bringen, werden erst die kommenden Monate zeigen.

derStandard.at: "Bild.de" ist ja im Match mit "Spiegel.de" das reichweitenstärkste Nachrichtenmedium in Deutschland. Mit so vielen Usern im Hintergrund muss sich das ja rein über die Werbung finanzieren lassen, oder?

Keese: Nach wie vor lassen sich die meisten Onlineangebote nicht durch Werbung finanzieren. "Bild.de" stellt hier eine der wenigen rühmlichen Ausnahmen dar.

derStandard.at: Sehen Sie bei den Apps das größte Potenzial, dass Leute bereit sind, dafür zu zahlen?

Keese: Beim Handy sind die Leute gewohnt zu zahlen - denken Sie an SMS, MMS oder Klingeltöne. Der AppStore macht das Zahlen einfach, weil er unkompliziert funktioniert. Märkte im Internet sollten nicht mehr als einen Klick zum Kaufen brauchen, sonst werden sie nicht angenommen.

derStandard.at: Springer setzt hier nur aufs iPhone und ignoriert andere Smartphones. Warum?

Keese: Etwa die Hälfte des Traffics auf unseren Mobilportalen kommt über das iPhone. Gleichzeitig bietet der App-Store ein einfaches und funktionierendes Abrechnungsmodell. Aus diesen beiden Gründen haben wir uns dafür entschieden, den ersten Schritt mit dem iPhone zu gehen.

derStandard.at: Wie viel kostet die "bild.de"-Applikation?

Keese: Die Apps von "Bild" und "Welt" kosten zum Einstieg 79 Cent beziehungsweise 1,59 Euro. Sie werden in den nächsten Wochen von verschiedenen Abo-Varianten abgelöst, die teurer sind.

derStandard.at: In diesem Zusammenhang kritisieren Sie ja die Aktivitäten der öffentlich-rechtlichen Sender wie etwa die geplante "Tagesschau"-App der ARD. Lässt sich das noch verhindern; nämlich dass mit Hilfe von Steuergeldern den Privaten das Wasser abgegraben wird?

Keese: Das wird zu prüfen sein. Wir haben unsere Meinung hier bereits deutlich zum Ausdruck gebracht und tun dies auch weiterhin. Leider preschen die öffentlich-rechtlichen Anstalten gern mit neuen Angeboten vor, auch wenn ihre Legitimation durch den Rundfunkstaatsvertrag zumindest zweifelhaft ist. Zu oft kommen sie damit durch.

derStandard.at: Und werden das auch in diesem Fall schaffen?

Keese: Noch ist nicht aller Tage Abend. Vor einigen Tagen hat der mächtige WDR-Rundfunkrat Bedenken angemeldet. Wir begrüßen das. Die kostenlose Tagesschau-App ist mehr als "ein Tropfen im Meer des Internets", wie der ARD-Vorsitzende sich ausdrückte. Rundfunkpolitisch geht es um etwas Grundsätzliches.

derStandard.at: Um die Finanzierung von Privaten?

Keese: Es geht um die Frage, ob der öffentliche Sektor den Versuch von Journalisten und Verlagen unterminieren kann, Geld mit journalistischen Angeboten auf Handys zu verdienen. Dieser Versuch ist wichtig. Nur durch private Finanzierung wird die Presse auf Dauer staatsfern und freiheitlich bleiben. Axel Springer ist hier ein Vorreiter. Es wäre ein Fehler großen Ausmaßes, wenn dieser Versuch durch Marktverzerrung der Öffentlichen scheitern müsste. Die medienpolitische Dimension der Frage geht über die eigentliche Tagesschau-App weit hinaus.

derStandard.at: Online-Journalismus wird oft als Copy & Paste-Journalismus diskreditiert. Sie meinen, dass sich nur über die userfinanzierte Schiene und nicht rein über Werbung ein großflächigerer Qualitätsjournalismus etablieren lässt?

Keese: Es muss in der digitalen Welt eine zweite Säule der Monetarisierung neben den Online-Werbeerlösen geben. Eine Zahl zur Verdeutlichung: Alle deutschen Verlage erwirtschaften im Internet zusammen netto etwa 160 Millionen Euro Werbung, Google macht in Deutschland allein zwei Milliarden Euro Werbeumsatz pro Jahr. Mit 160 Millionen Euro pro Jahr lässt sich Qualitätsjournalismus auf Dauer nicht finanzieren.

derStandard.at: Wenn das nicht gelingt, würde Ihrer Meinung nach Qualitätsjournalismus auf der Strecke bleiben?

Keese: Ja. Wenn es uns nicht gelingt, neben den Anzeigenerlösen weitere Einnahmequellen zu erschließen, wird der Qualitätsjournalismus darunter leiden. Als Folge würden die öffentlich-rechtlichen Sender noch mehr Geld für sich reklamieren, um das entstandene Qualitätsdefizit zu kompensieren. Schleichend würde der gebührenfinanzierte Sektor immer weiter wachsen, während der staatsferne schrumpft. Das kann nicht gut sein.

derStandard.at: Die Werbespendings, die ins Internet fließen, sind ja seit Jahren beim Zunehmen. Ist der Werbekuchen trotzdem zu klein?

Keese: Die Wachstumsraten von Online-Werbung alleine reichen nicht aus, auch wenn sie hoch sind. Netto 160 Millionen Euro für Display-Werbung, die bei den Verlagen landet, ist zu wenig, zumal Suchwortwerbung fast ausschließlich zu Google fließt. Bei aller Anerkennung für die unternehmerische Leistung von Google: Wir sehen hier nicht mehr nur das Ergebnis einer genialen Geschäftsidee, sondern auch eine Marktverzerrung.

derStandard.at: Wie sehen die Verhandlungen mit Google bei der Vermarktung der Inhalte aus?

Keese: Links bleiben natürlich kostenlos. Für die Kurzzusammenfassungen der Inhalte - die Snippets - sollten gewerbliche Nutzer wie Suchmaschinen aber eine faire Bezahlung anbieten.

derStandard.at: Google argumentiert ja, dass Verlage ihre Inhalte für die Suchmaschine unterdrücken könnten.

Keese: Die Suche zu unterdrücken wäre angesichts der Marktmacht von Google mit über 90 Prozent fast gleichbedeutend damit, im Netz nicht mehr gefunden werden zu können. Ein Marktbeherrscher wie Google kann schon rein wettbewerbsrechtlich nicht mit dem sogenannten "Delisting" argumentieren. Er zwingt die andere Marktseite damit in Vertragsbedingungen, die sie ohne die Marktbeherrschung nicht akzeptieren würde. Das ist unzulässig.

derStandard.at: Axel Springer betreibt insgesamt 60 Online-Portale bzw. ist an ihnen beteiligt. Sollen Zahlungsmodelle flächendeckend implementiert werden und wie sollen die ausschauen?

Keese: Einfache Abrechnungssysteme wie etwa eine sichere One-Click-Zahlung sind eine wichtige Grundvoraussetzung, dass es funktionieren kann. Wir sind gerade dabei, das auf unseren Portalen - sofern noch nicht vorhanden - zu ermöglichen. Mit diversen Angebotsformen - ob Einzelabruf von Artikeln, Monatsabo oder Mischmodellen - experimentieren wir. Was Erfolg hat, das bleibt.

derStandard.at: Vom technischen und administrierbaren wäre so ein One-Click-Modell, wo man einfach für jeden Click zahlt, realisierbar?

Keese: Je einfacher ein Shop für den Nutzer, desto besser. Richtig gute One-Click-Märkte für Journalismus gibt es noch nicht. Bevor sie entstanden sind, kann man die Frage nicht richtig beantworten. Diese Märkte müssen entstehen. (Oliver Mark, derStandard.at)